Auf dem Fachtag 2021 haben wir in einem Vortrag darüber gesprochen, wie wir die Gefühle anderer besser wahrnehmen können, wenn wir uns näher mit Körpersprache und Mimik befassen. Der Blick auf körpersprachliche Signale und Gesichtsausdrücke ist deswegen spannend, weil sie zumeist kulturübergreifend gleich aussehen und bei genauer Beobachtung helfen können, die Emotionen unserer Mitmenschen einzuordnen und zu reflektieren.
In zwei aufeinander aufbauenden Blogartikeln werden wir auf die Körpersprache und die Mimik im Speziellen eingehen. In Teil 1 wird es um die Körpersprache, angefangen bei Beinen und Füßen, bis hin zu Händen und Fingern, gehen. In Teil 2 wird dann der immer mehr bedeutsam werdende Blick auf die Mimik gerichtet.
Als fachliche Basis dienten uns die Bücher von Dirk W. Eilert (2013): Mimikresonanz: Gefühle sehen. Menschen verstehen und Joe Navarro (2020): Menschen lesen - Ein FBI-Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt. Abgeleitet haben wir zudem eigene Überlegungen für unsere Form des vermehrt digitalen und wohl auch zukünftig hybriden Arbeitens.
Was hat uns konkret motiviert, über Körpersprache und insbesondere Mimik nachzudenken?
Unsere Motivation
Seitdem wir fast ausschließlich remote zusammenarbeiten und uns in Videocalls treffen, haben wir uns häufiger die folgenden Fragen gestellt oder über betreffende Punkte nachgedacht:
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Bewegt sich hier im digitalen Meetingraum überhaupt jemand? Unsere Kolleg:innen werden uns auf dem Bildschirm teils nur noch in Briefmarkengröße angezeigt.
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Warum guckt der:die so?! Oft sind uns die fast regungslos erscheinenden Personen nahezu ohne jede Emotion erschienen.
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Hinzu kommt, dass uns remote eigentlich unentwegt "der Spiegel" vorgehalten wird. Wir fangen an, uns mit uns selbst und unserer Wirkung auf andere zu befassen.
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Wie kommt man eigentlich rüber und fällt es auf, dass ich gerade fröhlich, nervös oder nicht ganz so gut gelaunt bin? Einmal sagte ein Kunde ganz plötzlich als ungefragtes Feedback in einem Meeting, er könne unsere Gesichtszüge doch ziemlich gut sehen. Man fühlt sich viel mehr unter Beobachtung.
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Als Konsequenz könnte vielleicht das Aufsetzen eines Pokerface helfen, oder nicht? Auf Dauer fällt das wohl doch eher auf. Lassen wir das lieber mal. Sollten wir nicht eher näher verstehen wollen, was es mit Nonverbalem auf sich hat, wenn das scheinbar eine besondere Rolle spielt?
Im Buch von Navarro wird nonverbale Kommunikation oder auch nonverbales Verhalten/Körpersprache, analog zur Verwendung von Worten, als eine Art der Informationsübermittlung erläutert. Nonverbale Kommunikation geschieht demnach über Mimik, Gestik, Berührung, Körperbewegung, Haltung, Körperinszenierung (z.B. Kleidung, Frisur o.ä.) bis hin zu Tonfall, Klangfarbe und Lautstärke der Stimme. Es gibt schwankende Angaben, die von einem Anteil von 60-65% bei Navarro oder mehr ausgehen, was in der Kommunikation nonverbal abläuft (vgl. u.a. Navarro, Joe (2020), S. 18f.).
Schauen wir zwar zumeist in das Gesicht unserer Mitmenschen, so gibt es dennoch viel mehr körperliche Hinweise, die Auskunft über unsere Gefühle, Absichten oder Handlungen geben können.
Beine und Füße
Mit Blick auf Beine und Füße wird bei Navarro gesagt, dass es sich um den ehrlichsten Körperbereich handelt. Sie stellen anatomische Wunderwerke dar, die uns seit jeher beim Bewegen, beim Überleben und zum in Sicherheit bringen dienten (vgl. Navarro, Joe (2020), S. 67ff.).
Beispiel: Man stelle sich zwei Personen vor, die nebeneinander stehen, beide schauen sich lächelnd an. Die Personen stehen jeder auf nur einem Bein, das andere überkreuzt das Standbein. Die Hände sind bei beiden Menschen locker ineinander gelegt.
Interpretation: Es scheint so zu sein, dass sich diese Personen in der Anwesenheit voneinander wohlfühlen. Warum? Der Stand auf nur einem Bein bedeutet ein Risiko, aus dem Gleichgewicht zu kommen, was uns das limbische System nicht erlaubt. Es regelt Verhalten in Gefahrensituationen instinktiv wie bei unseren primitiven Vorfahren (Starre, Flucht, Kampf). Wenn die beiden skizzierten Personen dennoch so stehen, dann dürften sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit wohlfühlen (vgl. Navarro, Joe (2020), S. 84).
Rumpf und Schultern
Als Bereich lebenswichtiger Organe (z.B. Herz, Lunge, Leber) werden Rumpf und Schultern um jeden Preis geschützt, egal ob es sich um echte oder scheinbare Gefahr handelt. Navarro erläutert, dass unser Oberkörper sich bei Bedrohlichem oder Unliebsamem distanziert (vgl. Navarro, Joe (2020), S. 99ff.).
Beispiel: Eine Person verschränkt die Arme, die von den Händen fest umfasst werden.
Interpretation: In diesem Fall handelt es sich wahrscheinlich um ein Zeichen für Unbehagen, vor allem, wenn das Verschränken der Arme unvermittelt stattfindet. Eine andere Interpretation, die aber nicht im Widerspruch zu Unbehagen als nonverbale Bedeutung steht: der betreffenden Person ist einfach kalt (vgl. Navarro, Joe (2020), S. 109).
Arme
Sie liefern zusätzliche Informationen, werden aber laut Navarro oft vernachlässigt (vgl. Navarro, Joe (2020), S. 123ff.). Die Arme sind deshalb ein zuverlässiger Hinweisgeber, weil sie sogar entgegen der Logik agieren, z.B. bei Gefahr. Bei körperlichen Auseinandersetzungen würden wir sie zum Schutz einsetzen, obwohl sie verletzt werden könnten.
Beispiel: Eine Person hat die Arme in die Hüften gestemmt.
Interpretation: Werden die Arme derart eingesetzt, gilt das als eindeutiges Zeichen für Revieranspruch. Die Person möchte Überlegenheit demonstrieren oder auch verdeutlichen, dass es ein Problem gibt (vgl. Navarro, Joe (2020), S. 136).
Hände und Finger
Sie besitzen hohe Ausdruckskraft und gelten ebenfalls als anatomische Wunderwerke, weil sie vieles können. Mit Händen und Fingern lassen sich logischerweise jedwede handwerkliche Tätigkeiten ausführen. Aber darüber hinaus lassen sie sich rhetorisch einsetzen, wenn wir dem gesprochenen Wort zusätzlichen Ausdruck verleihen möchten. Oder sie senden andere Signale, wie z.B. Zittern, aus (vgl. u.a. Navarro, Joe (2020), S. 147ff.).
Beispiel: Eine Person hat ein Fingerglied bzw. -nagel im Mund und kaut darauf.
Interpretation: Es könnte sich dabei um ein Zeichen von Unsicherheit oder Nervosität handeln (vgl. u.a. Navarro, Joe (2020), S. 157).
In Teil 2 wird die in Zeiten zunehmenden remote Arbeitens immer mehr in den Fokus rückende Mimik behandelt.
Quelle: Joe Navarro (2020): Menschen lesen - Ein FBI-Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt
Bilder: in Anlehnung an Abbildungen des obigen Buches