Wie wir unsere Empathie stärken und Gefühle anderer besser wahrnehmen können, ist Gegenstand unserer zweiteiligen Serie zum Thema nonverbaler Körpersprache. Nachdem wir im ersten Part auf die Körpersprache im Allgemeinen eingegangen sind, legen wir den Fokus in diesem Beitrag auf die Mimik.
Warum ist die Mimik im Bereich der nonverbalen Körpersprache so interessant? Nun, weil nur die Mimik Emotionen in vollem Umfang und ohne weitere Hilfsmittel ausdrücken kann (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 27). Der Mimikexperte Dirk W. Eilert schreibt dazu:
"Das Gesicht ist sozusagen das im Mittelpunkt stehende Soloinstrument einer Symphonie. Es kann alleine die Melodie eines Musikstückes tragen und die anderen Instrumente unterstützen es dabei." (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 28)
Der Körper gibt zwar auch hilfreiche Hinweise darauf, ob ich mich gerade wohl oder unwohl fühle, jedoch zeigt er nicht an, welches konkrete Gefühl (wie beispielsweise Ekel oder Angst) dahinter steckt (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S.27-28).
Arten mimischer Ausdrücke
Emotionen, die wir im Gesicht wahrnehmen, lassen sich in Mikro-, Makro- und Subtile Expressionen unterteilen (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 52).
Bei den Mikroexpressionen handelt es sich um Expressionen, die wir nur für Sekundenbruchteile wahrnehmen können. Diese sind nicht bewusst steuerbar, da sie von unserem sehr schnell arbeitenden Emotionszentrum, dem limbischen System, ausgelöst werden (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 55).
Makro-Expressionen hingegen werden vom pyramidalen System ausgelöst, welches hauptsächlich für die Feinmotorik zuständig ist und Bewegungen koordiniert, die wir willentlich ausführen wollen. Wenn ich mich beispielsweise freue jemanden in einem Meeting zu sehen, dann lächle ich die Person bewusst an (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 53-55).
Subtile Expressionen sind ebenfalls Mikro- oder Makroexpressionen, die jedoch nicht so intensiv oder nur in Teilen ausgeprägt sind (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 58).
Die Basisemotionen
Da es tausende Gesichtsausdrücke gibt (vgl. Eilert, Dirk (2013), S. 134), ist es sinnvoll sich zunächst auf die wichtigsten mimischen Ausdrücke zu fokussieren. Hier lohnt sich ein Blick auf die sieben Basisemotionen. Denn da diese in der Forschung als universal (d.h. kulturübergreifend gleich) und einzigartig (z.B. hinsichtlich ihrer Auslöser) gelten, können wir sie im Alltag mit viel Übung durchaus gut erkennen. Die Annahme ist, dass diese Basisemotionen angeboren statt erlernt sind, womit die Evolution dafür gesorgt hat unser Überleben abzusichern. Zu ihnen gehören die Emotionen Trauer, Freude, Angst, Ekel, Verachtung, Ärger und Überraschung (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 35-36, 63-64). Ebenfalls gut erforscht, wenn auch nicht bei jeder Person identisch aussehend, sind die Emotionen Scham, Schuld und Interesse (vgl. Eilert, Dirk (2013), S. 80).
An dieser Stelle möchten wir Euch exemplarisch die Funktion und jeweiligen mimischen Ausprägungen dreier Basisemotionen vorstellen, die wir als besonders interessant und für unseren Alltag als relevant empfinden.
Freude
Die Freude im Leben motiviert uns in Zukunft ein ähnliches Verhalten zu wiederholen oder auch mit anderen zu kooperieren (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 78-79).
Mimisch werden bei der Freude die Mundwinkel schräg nach oben gezogen. Ebenso kann es sein, dass die Wangen angehoben werden. Dieser Ausdruck wird auch als soziales Lächeln (linkes Bild) definiert (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 78-79).
Im Gegensatz dazu geschieht bei echt erlebter Freude (rechtes Bild) noch einiges mehr in der Mimik. Man kann diese Form der Freude daran erkennen, dass die Augendeckfalte abgesenkt wird und manchmal auch die Augenbrauen-Außenseiten. Häufig sieht man kleine Fältchen, die um die äußeren Augenwinkel entstehen. Das ist jedoch kein absolut zuverlässiges Indiz für echte Freude, da die sog. "Krähenfüße" auch durch Bewegen des Jochbeinmuskels allein entstehen können (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 78-79).
Ekel
Hinter Ekel liegt ganz generell die Funktion ein "Objekt" abzustoßen, so dass man ihm zukünftig nicht mehr begegnet (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 72-73).
Bei körperlich ausgelöstem Ekel (linkes Bild), d.h. wenn jemand einen ekligen Geruch wahrnimmt oder verdorbenes Essen zu sich nimmt, wird die Nase gekräuselt, wodurch die Augenbrauen nach unten gezogen werden. Die Oberlippe zieht die Person nach oben, die Unterlippe ist ggf. ebenfalls angehoben (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 72-73).
Daneben gibt es noch den psychischen Ekel (rechtes Bild). Hiermit ist der Ekel im Sinne von Ablehnung oder Abscheu gemeint, den man gegenüber einer bestimmten Einstellung oder dem Verhalten einer anderen Person empfindet. Bei psychisch ausgelöstem Ekel bewegt sich nur der untere Teil des Gesichts. Die Oberlippe wird nach oben gezogen, die untere Lippe kann angehoben sein (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 72-73).
Ärger
Die universelle Funktion des Ärgers ist es ein Hindernis zu beseitigen. Der Ärger ist die "heiße" Emotion, da sie Energien für einen Angriff mobilisert.
Den Ausdruck des Ärgers kennzeichnet die nach unten und zusammengezogenen Augenbrauen. Die oberen Augenlider werden nach oben gezogen. Beide Bewegungen sorgen für den für Ärger charakteristisch stechenden Blick. Ebenso kann man oft wahrnehmen, dass das untere Augenlid angespannt ist. Zudem sind die Lippen zusammengepresst oder angespannt (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 70-71).
Grundsätze
Sollte man nun auf die Suche nach den Emotionsausdrücken im Gesicht seines Gegenübers gehen wollen, ist es wichtig ein paar Grundsätze im Hinterkopf zu behalten. Die folgenden drei von Dirk Eilert in seinem Buch vorgestellten Tipps sind in unseren Augen besonders hilfreich:
1. Trenne die Beobachtung von der Interpretation.
Nicht alle mimischen Bewegungen drücken Emotionen aus. Wir nutzen unsere Mimik auch noch für weitere Zwecke (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 52).
Es kann sein, dass wir einfach nur Inhalte transportieren wollen und dabei zum Teil auch die Muskeln nutzen, mit denen wir sonst Emotionen zum Ausdruck bringen. Ebenso ist es möglich, dass wir das Gesagte mit unserer Mimik unterstützen wollen (z.B. in Form eines "Facial Shrugs", d.h. wir ziehen die Mundwinkel nach unten und die Augenbrauen nach oben). Manchmal wollen wir aber auch einfach nur den Gesprächsfluss fördern. Ein Lächeln kann z.B. dabei helfen das Gegenüber zum Weitersprechen zu ermutigen (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 52).
Deswegen ist es wichtig die Beobachtungen von der Interpretation zu trennen.
2. Die Mimik verrät uns nie, warum ein Gefühl eintritt.
Das Gesicht gibt uns lediglich Hinweise auf den emotionalen Zustand einer Person, aber keine Beweise. Ebenso bleibt uns verborgen, warum sich jemand gerade so fühlt.
Helfen kann uns dennoch bei der Interpretation der Kontext (z.B. die Art des Gesprächs oder die Kultur), in dem ein mimischer Ausdruck auftritt (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 59-60).
3. Ohne Baseline ist man blind.
Um mimische Expressionen nicht fehl zu interpretieren, ist es essentiell sich ein Bild davon zu machen wie der Gesichtsausdruck einer Person normalerweise aussieht. Man nennt dieses Normalverhalten auch die "Baseline". Nur ein davon abweichendes nonverbales Verhalten dürfen wir heranziehen, um Rückschlüsse über bestimmte Signale zu ziehen (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 135).
Tipps
Um im Alltag die nonverbalen Signale der uns umgebenden Personen besser wahrnehmen und deuten zu können, haben wir noch ein paar zusätzliche Tipps für Euch im Gepäck.
Beispiel-Analyse
Wer zunächst eine exemplarische Mimikanalyse in Aktion sehen möchte, dem empfehlen wir das folgende 3-minütige Video von Dirk Eilert vom November 2013, in dem er die Mimik verschiedener Politiker analyisert, die sich zur damaligen NSA-Affaire äußern: https://www.youtube.com/watch?v=uQbSZDLguAs
Emotionen einzeln trainieren
Generell empfiehlt der Mimikcoach Dirk Eilert sich zu Beginn nicht gleich zu überfordern und gibt den Tipp den Beobachtungsmuskel Stück für Stück zu trainieren. In einer Woche könnte man sich zum Beispiel mit der Expression des Ärgers befassen, in der zweiten mit der Freude usw. Wenn man alle Signale einmal geübt hat, wiederholt man diese Reihenfolge bis alle gut eingeübt sind und man sie auf unbewusster Ebene erkennt (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 152, 210).
Peripheres Sehen
Außerdem hilft es sich im peripheren Sehen zu üben. Euer Blick ist dann weicher und weniger fokussiert auf die Person. Dadurch könnt Ihr mehr Informationen gleichzeitig wahrnehmen und Veränderungen ohne zu Starren erkennen (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 48).
Talkrunden
Ebenso empfohlen sind Talkrunden im Fernsehen. Hier muss man im Gegensatz zu einem Gespräch, in das man involviert ist, nicht zusätzlich auf den Inhalt achten und kann das Video zudem wiederholen, um in jeder Runde auf verschiedene körpersprachliche Signale zu achten (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 210).
Serientipp
Ein weiterer Tipp ist die Serie "Lie to me", in der ein Unternehmen versucht mithilfe von Lügenerkennung die Wahrheit zu verschiedenen Fällen herauszufinden. In der ersten Staffel wurde sogar der amerikanische Psychologe Paul Ekman zu Rate gezogen, sodass 80% dessen, was in der Serie Anwendung findet, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Der andere Teil dient der Unterhaltung (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 210).
Die Abkürzung nehmen
Wem das alles zu viel Arbeit ist, dem sei der Rat von Edgar Allan Poe empfohlen, der folgendes schrieb:
"Wenn ich herausbekommen möchte, [...] wie gut oder böse einer ist, oder was ihm im Augenblick so durch den Kopf geht, dann passe ich meinen Gesichtsausdruck so genau wie möglich dem seinen an und warte bloß ab, was für Gedanken oder Gefühle nun mir im Kopfe oder Herzen aufsteigen" (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 134).
Eine Aussage darüber, wie es um die Moral einer Person bestellt ist, lässt sich anhand der Mimik nicht treffen. Wenn Ihr aber wissen möchtet, was hinter einem bestimmten Gesichtsausdruck verborgen liegt, hilft es sich einen Spiegel zur Hand zu nehmen und die eigene Mimik genauso wie beobachtet zu formen. Denn laut der Facial-Feedback-Hypothese wirkt die Mimik nicht nur nach außen, sondern kommuniziert auch nach innen, so dass das zur Mimik passende Gefühl entstehen sollte (vgl. Eilert, Dirk W. (2013), S. 134).
Das Wichtigste aber ist, dass Ihr auch ein wenig Spaß daran habt als Forscher:innen der Körpersprache in die Beobachtung zu gehen.
Quelle: Dirk Eilert (2013) - Mimikresonanz - Gefühle sehen. Menschen verstehen.
Bilder: in Anlehnung an Abbildungen des obigen Buches