neuland macht eine Strategie-Woche. Vom 21. bis zum 28. Februar. Das ganze Unternehmen stellt sich Fragen der Unternehmensstrategie. Wie das abläuft,welche Werkzeuge benutzt werden und warum überhaupt alle über Strategie diskutieren sollen und können, versucht dieser Artikel zu erhellen.
Strategie?
Beginnen wir mit dem Schlüsselbegriff. Was ist eine Unternehmensstrategie? Die Antwort scheint einfach. Eine Strategie ist ein Plan, ein Leitfaden, eine Richtung. Die Literatur über Unternehmensstrategie benennt ein Paradox. Befragt, was denn die Strategie des eigenen Unternehmens in den letzten fünf Jahren sei, sei eine typische Antwort: Man habe den und den Bereich ausgebaut, sich in der Qualität von diesem und jenem verbessert und folgendes neue Segment erschlossen. Es wird auf Muster des tatsächlichen Verhaltens referenziert, nicht auf die Pläne, die man beschlossen hatte.
Also nochmal: Was ist eine Unternehmensstrategie? Mindestens zweierlei. Pläne, die man macht, die in die Zukunft weisen, und Muster, die man hat, die in der Vergangenheit entstanden sind. Hat neuland eine Strategie? Ja und Nein. Es gibt keinen Plan, auf den man verweist, wenn man nach der Strategie neulands gefragt wird. Es gibt kein Dokument, das man zitiert, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. In diesem Sinne: Nein, neuland hat keine Strategie. Aber: Ist dann alles beliebig? Beileibe nicht. Wir wissen ziemlich genau, was unser Kundensegment ist und wo wir uns in einer fremden Domäne versuchen. Wir wissen, was neuland seinen Kunden (mit diesem Begriff sind die jeweiligen Kundenunternehmen gemeint) anbieten kann und was außerhalb neulands Kompetenzzone liegt. In unseren Projekten entsteht eine typische neuland-Handschrift, auch wenn sie von Projekt zu Projekt anders entwickelt ist. Unsere Antwort auf Herausforderungen in der Entwicklung von E-Commerce Plattformen bildet einen Fixpunkt, auf den wir zielen, auch wenn wir ihm unterschiedlich nahe kommen. Kurz gesagt: Es gibt viele Muster, die unsere Arbeit bei neuland prägen.
Was bedeutet das für den Strategie-Workshop? Wir werden den Musterbegriff in den Mittelpunkt stellen. Wenn unsere Arbeit auch von Mustern geprägt ist, heißt das nicht, dass diese bekannt und benannt sind. Wir suchen nach den Makromustern, die neuland prägen, wir versuchen sie auf den Begriff zu bringen, ihnen einen Namen zu geben und sie etwas genauer zu betrachten. Und wir inspizieren unseren Alltag - im Team, in der Gilde, im Kreis. Welche Erfahrungen haben wir hier gemacht? Welche Muster setzen wir ein, die vielleicht auch an anderer Stelle, in einem anderen Team helfen würden. Und welche dieser Muster haben das Potential zum Bestandteil der Strategie neulands zu werden?
Muster?
So viel Gerede von Mustern. Was ist denn ein Muster? Die intensive Verwendung des Musterbegriffs, um die Werkzeuge zu benennen, mit denen im Lebens- und Arbeitsalltag Probleme gelöst werden, geht zurück auf den Architekten Christopher Alexander. In den 70er Jahren hat er den Begriff in Architektur und Städtebau fest etabliert. Die Profession, die diesen Begriff am intensivsten aufgegriffen hat, ist die Informatik. In den 90er Jahren bestimmte der Musterbegriff alle wesentlichen Diskussionen um die Software Entwicklung. Einschlägig ist vor allem das Buch 'Entwurfsmuster' (Design Patterns) von der Gang of Four um Erich Gamma und die PLoP-Konferenzen (Pattern Language of Programs), die seit Mitte der 90er Jahre stattfinden und von Monticello in Illinois in die ganze Welt zogen. Die Welle ist mittlerweile etwas abgeflacht. In den ersten 10 Jahren war sie so dominant, dass alles, was neu war und Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, als Muster daher kommen musste. Eine der ersten Darstellungen von Scrum ist ein Katalog von organisatorischen Mustern.
Ok - das ist die Geschichte. Aber was ist denn nun ein Muster? "Jedes Muster beschreibt ein in unserer Umwelt beständig wiederkehrendes Problem und erläutert den Kern der Lösung für dieses Problem" schreiben die Gang of Four Christopher Alexander zitierend. Es gibt viele Beispiele wie diese Problemlösung in einem Muster-Template ausgedrückt wird. Je nach Anwendungskontext variieren diese, aber im Großen und Ganzen ähneln sie sich. Für den neuland-Workshop nutzen wir das Template aus 'Entwurfsmuster'. Ein Muster ist eine Lösung für ein Problem. Das Problem ist nicht singulär, es ist ein "beständig wiederkehrendes Problem". Ein Muster-Template, also das Formular in dem das Muster festgehalten wird und das durch seine Struktur auf verschiedene Aspekte des Musters verweist, besteht aus Folgendem. Ein Muster hat einen Namen. Gerne ein oder zwei Wörter. Dieser Name ist wichtig. Er ist die Abkürzung, die benutzt wird, wenn auf das Muster bezug genommen wird. Er ist das, was sich in unseren Köpfen festsetzt und das für das Ganze steht. Eine Musterbeschreibung hat einen Problemabschnitt. In welchem Kontext tritt das Problem auf? Wie sieht das Problem konkret aus? Weiter gibt es einen Lösungsabschnitt. Wie löst das Muster das Problem? Was sind die Grundzüge der Lösung, worauf muss man achten, wenn man die Lösung umsetzt? Und ein Muster hat einen Abschnitt mit Konsequenzen. Jedes Muster bringt Vor- und Nachteile mit sich. Diese werden im Konsequenzenabschnitt beschrieben. Bestimmte Dinge werden einfacher durch die Lösung (Pro) aber, wie so oft, gibt es auch Trade-Offs (Contra).
"Grau, theurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum." Ein Beispiel soll Leben in die trockene Erklärung bringen. Ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich. Eine Musterbeschreibung könnte folgendermaßen aussehen:
Mustername: Umgehungsstraße
Problem: Der wachsende Verkehr in einer Kleinstadt ist ein Problem. Es kommt zu Staubildung, Lärmbelästigung und Abgasen.
Lösung: Ein Schnellstraße leitet den Durchgangsverkehr um das Stadtzentrum herum.
Kontext: Pro: Trotz der längeren Strecke ergibt sich für den Durchgangsverkehr eine Beschleunigung. Das Zentrum der Stadt wird von Verkehr und Umweltbelastungen entlastet.
Contra: Schnellere Fahrtzeiten ziehen weiteren Verkehr an, so dass der Verkehr in Summe steigt. Die Lärm- und Abgasbelastungen sind nicht verschwunden, sie haben sich an andere Stellen verschoben, an denen sie adressiert werden müssen.
Musterhafte Strategie?
Im Rahmen einer Strategiediskussion verweist der Musterbegriff auf das, was ein Unternehmen gelernt hat. Im Mittelpunkt des Strategieverständnisses steht der Lernprozess an der Schnittstelle zum Kunden. Einige Muster haben sich auf der Ebene des gesamten Unternehmens etabliert, sie spielen in vielen Teams eine Rolle. Viele andere Muster werden tagtäglich erprobt, unter ihnen gilt es die zu erkennen, die zu strategiefähigen Mustern skaliert werden können. Was das bedeutet? Muster wie Vertikalisierung und Microfrontends (s.u.) haben ihre Geschichte in einzelnen Teams begonnen, haben sich als Lösungsmuster für Probleme, die in mehreren Teams auftreten, bewährt und sind dann zu strategischen Mustern des Handelns von neuland als Unternehmen geworden.
Wenn die Strategiediskussion ihren Ausgang im Musterbegriff nimmt, versichert sie sich der Mittel, die zur Verfügung stehen. Muster sind die Mittel, Werkzeuge, Instrumente, die das tägliche Handeln leiten. Für diese Mittel müssen nun Ziele gesucht werden. Es wirkt fast so, als wenn die klassische Art über Strategie nachzudenken - ein Plan, der aus einem Ziel die Mittel ableitet - auf den Kopf gestellt wird. Die Aufgabe der Geschäftsleitung in diesem Diskussionsprozess ist es, den Austausch über die Muster zu unterstützen. Nur wenn Muster von einem Team schnell in ein anderes gelangen, wenn sie andernorts erprobt werden können, kann sich langsam die Spreu vom Weizen trennen, können neue Makromuster sichtbar werden: weniger Feldherrnhügel, dafür mehr Katalysator.
Ist die Grundidee des Workshops, die Strategiefrage am Musterbegriff aufzuhängen, nicht konservativ, denn Muster sind in der Vergangenheit entstanden und eine Orientierung an ihnen schreibt dieses Verhalten fort? Ja und Nein. Nur ein Punkt: Unser Verhalten, ob als Individuum oder als Organisation, ist von Mustern geprägt. Diese Muster zu erkennen, zu benennen und so besprechbar zu machen, ist der erste Schritt, um zu entscheiden, ob man sie verändern will oder nicht. Jeder Plan, der gemacht wird, muss kompatibel zu den Mustern der Organisation sein, sonst hat er wenig Aussicht auf Erfolg. Das Neue steckt in den kleinen Mustern, die heute schon in den Kundenteams - am Markt im Konkreten - erprobt werden, und die darauf warten, breiter ausprobiert zu werden und zu wachsen.
Makromuster - erste Annäherung
Was sind die Makromuster, die neuland prägen? In der Vorbereitungsdiskussion sind wir auf einige Muster gestoßen, von denen wir vier zur Diskussion und weiteren Ausarbeitung stellen wollen.
Mustername: Vertikalisierung
Problem: Eine Applikation, ein Webshop wird von so vielen Menschen bearbeitet, ist so komplex, dass die Entwicklung langsam wird und die Komplexität zu einer steigenden Fehlerrate führt.
Lösung: Die Applikation wird in N Applikationen zerlegt. Jede Applikation wird von genau einem Team entwickelt. Die Teams haben eine Ende-zu-Ende Verantwortung. Der Schnitt zwischen den Applikationen ist fachlich begründet. Die Applikationen sind maximal entkoppelt.
Kontext: Pro: Die Arbeit wird übersichtlich und schnell.
Contra: Redundanzen entstehen. Ist der fachliche Schnitt falsch gewählt, erfordern Projekte die Kommunikation mit mehreren Teams.
Mustername: Microfrontends
Problem: N unabhängige Teams liefern etwas aus, das aus der Kundensicht wie eine Applikation aussehen und sich anfühlen soll.
Lösung: Eine Bibliothek stellt für alle Teams nutzbare Komponenten zur Verfügung. In dieser sind die Grundelemente der Website als auch grundsätzliches Verhalten codiert. Die Website aus den Komponenten der Teams wird im Browser oder Webserver integriert.
Kontext: Pro: Soweit die ausgespielten Seiten auf der Bibliothek basieren, fühlen sie sich an wie aus einem Guss.
Contra: Es entsteht eine Abhängigkeit zwischen den Teams. Je nach Wahl der Komponenten-Technologie werden die Teams technisch gekoppelt.
Mustername: Adaptive Teams
Problem: Ein Unternehmen hat N Kunden, die im Groben ähnlich, im Detail sehr unterschiedlich sind. Organisationsstruktur und Domänensprache unterscheiden sich teils erheblich.
Lösung: Jeder Kunde wird von einem eigenen Team betreut. Die Teams haben wenig unternehmensinterne Vorgaben, damit sie sich maximal an die Prozesse und Strukturen des Kunden anpassen können.
Kontext: Pro: Die Anpassung an den Kunden gelingt gut. Das Team fühlt sich teilweise als Teil des Kunden.
Contra: Die Identität des Unternehmens ist schwerer herzustellen. Ein Austausch verschiedener Teams, die technologisch Gleiches bewegen, stellt sich nicht spontan ein.
Mustername: Pragmatische Agilität
Problem: Die Kundenfirmen eines Unternehmens haben einen sehr unterschiedlichen Stand, was die Adaption agiler Prozesse angeht.
Lösung: Jedes Kundenteam entwickelt ausgehend von den Werten des Agilen Manifestes eine eigene Art des agilen Arbeitens. Dieser Prozess wird in Auseinandersetzung mit der Kundenfirma weiterentwickelt.
Kontext: Pro: In allen Teams gelingt es eine Arbeitsweise im Bezug auf die agilen Werte zu entwickeln.
Contra: Der agile Prozess ist manchmal bis zur Unkenntlichkeit angepasst. Wenig ist 'Out of the Book'. Der Transfer von agilen Erfahrungen aus Team A zu Team B ist schwer.
Soweit der erste Vorschlag für einen Satz Makromuster, die heute die Arbeit neulands prägen. Die Liste ist nicht vollständig. Jeder Mustertext ist eher eine Einladung zur Korrektur als eine fertige Beschreibung. Muster können verschiedenen Charakter haben. Technische Muster (Microfrontends), organisatorische Muster (adaptive Teams), technisch-organisatorische Muster (Vertikalisierung) oder arbeitskulturelle Muster (pragmatische Agilität) sind Beispiele für ihre Breite.
Wie läuft die Strategie-Woche ab? Wir treffen uns am Montag 21. Februar, um gemeinsam zu starten. Es gibt ein Impulsreferat zum Thema Strategie und danach Arbeitsgruppen, die sich mit den Makromustern beschäftigen, die die ganze Organisation prägen. In der Woche kommen Teams, Gilden, Kreise zusammen, um über ihre Muster zu sprechen: Welche Problemlösungen haben wir als Team, die wir anderen gerne anbieten möchten? Welche Lösungen, die wir erprobt haben, haben das Potential zum Makromuster? Am Montag darauf kommen alle zusammen und präsentieren sich ihre Ergebnisse. Wären wir nicht Online und Remote unterwegs, könnte man sich das als eine kleine Messe vorstellen. Am Ende des Tages soll ein Musterkatalog stehen. Ein erster Versuch, der die neuland prägenden Makromuster benennt und kleine Muster aufzählt, mit denen in den Teams Probleme gelöst werden. Der Katalog soll nicht Schlusspunkt, sondern Auftakt unserer Expedition Mustersuche sein.
Fortsetzung folgt ...