25.06.2018
Kleine, feine Dinge. Das sind für mich Werkzeuge, die sich im Alltag agiler Teams bewähren. Hier vorgestellt - und bei Eignung zur Nachahmung empfohlen - eine Methode zur Stichwortsammlung im Format der Kaizen-Retrospektive
[
{
"attrs": [],
"content": "Kaizen und die Abbildung im Format Retrospektive",
"id": "_ik6e1tvht",
"type": "h2"
},
{
"attrs": [],
"content": "Viele unserer Produkte sind langlebig, die Teams sind stabil. Der Schwerpunkt von Retrospektiven als Ort der Reflexion liegt dann notwendigerweise mehr auf der kontinuierlichen Verbesserung und weniger auf der Bew\u00e4ltigung initial notwendiger Aufgaben. Das zu erkennen und also (link:https://de.wikipedia.org/wiki/Kaizen text: Kaizen target: _blank) zum Thema zu machen scheint mir (mindestens im Wechsel mit anderen Schwerpunkten) als gute \u00dcbung zu funktionieren. \nDie Themensammlung innerhalb von Retrospektiven ist in unseren Teams eine routiniert durchgef\u00fchrte \u00dcbung. Post Its liegen immer auf dem Tisch und der Griff zum Block ist fast so gewohnt wie die gef\u00fcllte Kaffeetasse mitzubringen. Aber wie alles, was man routiniert macht, wird es auch langweilig, und kleine Abwandlungen k\u00f6nnen hilfreich und als produktive St\u00f6rung im gewohnten Ablauf wirken.\nIm Rahmen der Kaizen-Retrospektive geht es aber weniger um Gimmicks und eine andere Form f\u00fcr dasselbe Ding, daher ein eigener Beitrag von den (link:/agile-coaches text: agilen Coaches target: _blank) dazu.\n\n### Der Begriffsapparat\nWichtig ist: am Ende soll immer eine teamspezifische Interpretation und Aneignung von Kaizen stehen, der Geist ist aus meiner Sicht wichtiger als die Form oder spezifische Instrumente. Als Zugang haben sich gleichwohl die drei g\u00e4ngigen Begriffe Mura, Muda, Muri und die Unterpunkte dazu bew\u00e4hrt. \n\n1. Mura = Unregelm\u00e4\u00dfigkeit in den Prozessen\n2. Muda = Verschwendung\n * ... durch \u00dcberproduktion = mehr als notwendig fertigen.\n * ... durch \u00fcberh\u00f6hte Lagerhaltung = End-, Halbfertigprodukte, Zulieferteile und Materialien, die als Best\u00e4nde lagern, sind nicht wertsch\u00f6pfend.\n * ... durch \u00fcberfl\u00fcssigen Transport = Bewegung von Materialien oder Produkten ist nicht wertsch\u00f6pfend.\n * ... durch Wartezeit = Unt\u00e4tige H\u00e4nde, Prozesstaktung nicht optimiert.\n * ... durch Herstellung fehlerhafter Teile = Fehlerhafte Produkte st\u00f6ren den Produktionsfluss und erfordern teure Nachbesserung.\n * ... durch unn\u00f6tige Bewegung = Umst\u00e4ndliche, unergonomische und unn\u00f6tige Bewegungen verbrauchen Zeit, f\u00fchren zu Erm\u00fcdung und erh\u00f6hen das Verletzungsrisiko.\n * ... durch Fertigung von Produkten mit unn\u00f6tigen Eigenschaften = Die zus\u00e4tzliche Ausstattung von Produkten oder Dienstleistungen mit Eigenschaften, die vom (End-)Kunden weder gew\u00fcnscht noch bezahlt werden.\n * ... durch nicht genutztes Potenzial der Mitarbeitenden = Nicht oder falsch genutztes Talent der Mitarbeitenden \n\n3. Muri = \u00dcberlastung von Mitarbeitenden und Maschinen\n\n### Abgrenzung: Kaikaku\nDie sprunghafte Verbesserung ((link:https://de.wikipedia.org/wiki/Kaikaku text: Kaikaku target: _blank)) findet vielfach in gr\u00f6\u00dferen Formaten ihren Platz, z. B. in den in vielen Teams \u00fcblichen j\u00e4hrlichen Retrospektiven/ Prospektiven mit dem Kunden.\n\nF\u00fcr das Team gibt es dazu je nach Bedarf die Definitionen zu Kaizen, Kaikaku, Effizienz, Effektivit\u00e4t etc. als Bikablo-Plakate. Die zahlreichen Unterpunkte zu Muda l\u00f6sen beim ersten Mal regelm\u00e4\u00dfig Diskussionen aus. Die verlagern wir konsequent hin zur Diskussion der gezogenen Zettel, denn Verschwendung w\u00e4re es, Begriffe zu kl\u00e4ren, die im Alltag des Teams keine Rolle spielen. In Vorstellung der gezogenen Zettel erkl\u00e4rt die Autorin kurz, auf welche Form von Verschwendung ihrer Meinung nach der jeweilige Misstand einzahlt. Falls n\u00f6tig, gibt es dazu kurze R\u00fcckfragen. Das reicht. \n\n### Das Setting\n\"Schon wieder die Urnen ...\" das ist ein O-Ton einer Retrospektiven-Teilnehmerin. Vasen, Sch\u00fcsseln, Kisten - alles egal. Nur drei gleiche Gef\u00e4\u00dfe brauchen wir. Vor jeder steht eine Karteikarte mit den Begriffen und einem Gleichheitszeichen.\n(image:vasen.jpg)\n\nDie Teilnehmerinnen schreiben auf ihre Zettel Verbesserungspotenziale, Probleme oder Ma\u00dfnahmen und werfen sie in die aus ihrer Sicht richtige Vase. In jeder Vase wird kr\u00e4ftig ger\u00fchrt, gemischt und dann geht es schon los. Der erste Zettel wird gezogen, die Autorin kommentiert und die Gruppe diskutiert Bedeutung und entwickelt Ma\u00dfnahmen. \n\nDie Menge der Zettel ist ein erstes Indiz f\u00fcr die Schwerpunkte der Verbesserungspotenziale im Team. Nach Augenschein entscheiden wir, aus welcher Vase wir wieviele Zettel ziehen werden. Auf jeden Fall wird gleichgewichtig und angemessen aus den drei Vasen gezogen.\n\nWie in vielen anderen Diskussionen hat sich auch hier das Lean Coffee Format bew\u00e4hrt, um ausufernde Diskussionen zu reduzieren. Erfahrene Teams verwenden entweder generell den Konsent oder wechseln bei Bedarf zwischen den Formaten ...\n\nDer Verzicht auf Clusterung und Priorisierung ist ok, denn Kaizen Retros\n* verwenden wir h\u00e4ufiger als erg\u00e4nzendes Format bei Teams mit regelm\u00e4\u00dfigeren Reflexionen und dadurch geringeren Schulden im agilen Prozess und\n* die Wahrscheinlichkeit beim Ziehen f\u00fchrt dazu, dass die f\u00fcr viele interessanten Themen h\u00e4ufiger als andere gezogen werden (denn dazu gibt es in der Regel auch mehr und inhaltlich gleiche Zettel)\n\nauch exotische Themen finden ihren Platz, \n\n* denn Stickies zu gleichen Themen werden beim erneuten Ziehen schneller diskutiert oder zu schon vorhandenen geh\u00e4ngt und\n* grunds\u00e4tzlich werden off topic Listen oder \"besprechen wir jetzt nicht, ist mir aber wichtig\"-Speicher gef\u00fchrt\n\n### Bemerkung 1\nKaizen st\u00e4rkt das Team unter dem Aspekt \"Effizienzmaschine\". In der Regel haben reife agile Teams (die \"agil\" meist gel\u00e4ufiger sprechen als die vor- und nachgelagerten Bereiche) dort weniger Probleme. In diesem Sinne k\u00f6nnte man die Perspektive Kaizen als Bearbeitung eines Luxusproblems verstehen. Da die Retrospektive dem Team geh\u00f6rt und das immer besser werden darf und soll, machen wir das, auch wenn es den Druck auf die vor- und nachgelagerten Bereiche erh\u00f6ht ...\n\n### Bemerkung 2\nKaizen liefert automatisch die Sicht \"k\u00f6nnen-wir-selbst-(auf dem Shopfloor)-beeinflussen\". Meine Erfahrung: Probleme zu l\u00f6sen anstatt zu beklagen ist so attraktiv, dass Blame-Gamer in Kaizen-Retros wenig Chancen haben und Kunde oder PO relativ schnell beginnen, nach Verbesserungen im eigenen Bereich zu suchen. Kaizen ist dann auch keine Konkurrenz zu Kaikaku, sondern wirkt als Proxy und - wenn sich die Dinge wirklich nicht auf l\u00f6sen lassen - qualifizierter Feeder f\u00fcr dieses Format.\n\n### Bemerkung 3 \nDas Ziel ist kontinuierliche Verbesserung unmittelbar und sofort und immer. Bei agil gewandten Teams ist Kaizen Bestandteil der Alltagsarbeit geworden, das Team verf\u00fcgt \u00fcber Werkzeuge, entwickelt die ebenfalls dauernd weiter und setzt sie selbstorganisiert ein. In diesem Sinne k\u00f6nnte die Kaizenperspektive in den Retrospektiven eine vor\u00fcbergehende Episode sein. Die Beobachtung der abnehmenden Frequenz von Kaizen-Retrospektiven scheint mir ein Indiz in diese Richtung.",
"id": "_2qv8n8jcj",
"type": "kirbytext"
}
]