07.12.2022

Twitter verlor seit der Übernahme durch Elon Musk bis zum jetzigen Zeitpunkt über 1 Million Nutzer*innen, Mastodon gewann in der Zeit 600.000 Nutzer*innen dazu und zählt insgesamt etwa 5 Millionen, so die Angaben in Perspective Daily. Die Debatte zur Übernahme von Musk, die Entwicklungen auf Twitter und das Aufkommen des neuen Netzwerkes Mastodon beschäftigt auch uns. Wir haben unsere Mitarbeitenden gefragt: Wie steht ihr zu der Frage "Twitter oder Mastodon"?

Eine Sammlung

"Ich finde, das ist ein bisschen so wie 'Rewe beendet die Zusammenarbeit mit dem DFB': Ich halte Twitter für moralisch nicht mehr wirklich vertretbar und würde es begrüßen, wenn wir uns davon verabschiedeten, auch um ein Zeichen zu setzen und den Wechsel von größeren Gesellschaftsanteilen zu Mastodon zu unterstützen. Das wird ja auch umso attraktiver, je mehr von dem Content, den man vorher bei Twitter hatte, man dort findet." - anonym

"Ich selbst nutze immer noch Twitter und sehe mich auch langfristig nicht bei Mastodon. Das liegt daran, dass ich Twitter nie wirklich zur Vernetzung mit einzelnen Leuten genutzt habe, sondern wirklich dieses wilde Chaos an Nachrichten aus allen Richtungen daran geschätzt habe. Das sehe ich bei Mastodon nicht, das heisst es ist für mich kein Ersatz. Allerdings ist natürlich die Frage, inwieweit Twitter nutzbar bleibt unter Elmos wilden Streichen... Erstmal bleibe ich wie gesagt, aber wenn die Tendenz in Richtung "Herrschaft der Bots" und der Rechtsruck anhalten, werde ich mich wohl auch verabschieden. Oder eines Tages da stehen und es einfach technisch nicht mehr nutzen können, auch das scheint ja gerade möglich." - Stefanie

"Mastodon bietet insgesamt viele positive Funktionen und die Nutzenden haben außerdem die wertvolle Möglichkeit der aktiven Einflussnahme auf bspw. Instanzen und somit auch ein Stück weit auf die generelle Entwicklung des Kanals. Ich frage mich nur, wer alles zu Mastodon wechseln wird, wie vielfältig die Themen sein werden und wie sie von den verschiedene Instanzen gehostet werden. Ein öffentlicher Diskurs ist wichtig und besteht eben aus den unterschiedlichsten Meinungen und auch der Toleranz gegenüber 'unbequemen' Meinungen. Eine Bubble mit 'gutem Content' könnte der Offenheit dabei eventuell im Weg stehen." - anonym

"Mastodon ist keine ernsthafte Alternative zu Twitter. Es gibt keinen zentralen Server und keine globale Kontrollinstanz. Nur separate, von beliebigen Personen gehostete Mastodon-Serverinstanzen. Und die kontrollieren, wer dort einen Account machen kann, wer wieder gelöscht wird, was geschrieben werden darf und was nicht. Was ich also zu sehen bekomme, ist viel mehr vorbelastet mit einer bestimmten Meinung und Richtung als bei Twitter. Wenn es wenigstens dezentralisiert statt föderalisiert wäre, könnte man darüber nachdenken. neuland sehe ich als ernstzunehmendes Unternehmen dort also nicht. Trotzdem verteufle ich Mastodon nicht. Es ist mit seiner andersartigen Struktur an sich tatsächlich interessant, um es privat mal auszuprobieren." - Doreen

"Ich schicke euch zwei Toots, denen ich mich nach den ersten Tagen mit Mastodon anschließen würde:

”Today is my 1 month anniversary of signing up for Mastodon. A few observations—after spending 13+ years on Twitter:
•The Mastodon community is kinder & more focused on lifting one another up than tearing down.
•Mastodon is learning from Twitter's mistakes by including accessibility options, incorporating an edit button, & not centralizing everything
•Engagement is not dependent on clickbait or outrage, but genuine positive content.
None of the above are absolutes, but overall, glad I'm here.”

und

”twitter is a product, not a home”.

Weswegen finde ich die beiden Tweets/Posts passend?
Twitter war für mich eher und schon immer attraktiv als Ort, in die man in einen Nachrichten-Strom oder besser Nachrichten-Sumpf eintauchen konnte. Ich habe dort das eine oder andere selbst gepostet und auf das eine oder andere reagiert. Im Kern habe ich aber beobachtet und nicht gestaltet. Dieses am Rande stehen hat zusammen mit den Möglichkeiten des „WEGSEHENS“ (in erster Linie via Blocken) ausgereicht, um die Unanehmlichkeiten des Zusammenlebens mit Trollen überschaubar zu halten.

Allerdings haben mich die direkten Kontakte mit dem Bodensatz des Twitterversums immer schon abgeschreckt, in beiden Formen, die ich dominierend in sozialen Netzwerken finde. Das gilt sowohl für die distanzlosen, unverschämten Besserwisser und Querulanten, die es nicht lassen können, jeden noch so kleinen Anlass zu nutzen, um ihren Müll abzusondern wie auch für die Kommunikations-Warlords, die ihre Horde (oder Herde) dazu nutzen, um die jeweilige Echokammer so laut zu machen, dass sie auch außerhalb nicht zu überhören ist.

Und dass jetzt einer dieser Warlords das Medium übernommen hat, hat den letzten Anstoß gegeben, einen anderen Ort aufzusuchen.

Und so bin ich ins Fediversum geraten, das mir wie das kleinere, leisere und freundlichere twitter erscheint. Ich folge dort den gleichen Themen wie bei Twitter, finde den Ton aber insgesamt deutlich angenehmer. Und ich habe Lust selbst etwas beizutragen, in Maßen und nur für mich. Ich finde Twitter mit Musk mindestens anstrengend und gefährlich, vielleicht eine weiterhin wichtige Quelle, aber toxisch für ernsthafte und tiefergehende Diskussionen.

Ganz ohne viel Nachdenken: Ich würde im Moment neuland nur dann bei Mastodon sehen, wenn es thematische Zuspitzungen gäbe, bei denen das Unternehmen als „Person“ konsistent und opinionated auftreten könnte (z. B. In einer New Work oder Cybersecurity Ecke).
Zur Info meinen Account: @RalfZ@norden.social" - Ralf

"Elon Musk kauft sich den Kurznachrichtendienst Twitter und reißt kurzerhand die kuratierte Barriere gegen Shitstorms und Hass-Postings ab. Muss man Twitter verlassen? Ich weiß es nicht. Darf ein Mensch eine Stück wichtiger öffentlicher Infrastruktur besitzen? Nein! Aber das Problem ist nicht neu. Wie steht es um Google, um Facebook, um Instagram, um Whatsapp? Alles in der Hand einzelner, kalifornischer Milliardäre. Was aber wäre die Alternative? Staatliche Infrastruktur? Welcher Staat? Die USA? Vielleicht besser nicht. Öffentliches Eigentum? Was genau meint das: öffentliches Eigentum? Und wie sieht es aus? Wie die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland? Hm - ob das überzeugt? Oder eine Genossenschaft? Mit welchen Genossenschaftler:innen? Den Mitarbeitenden? Warum sollten die die Infrastruktur besitzen? Anderen? Wem? Eine überzeugende Antwort auf die Frage 'Wem sollte Social Media gehören?' ist noch nicht gefunden und erprobt. (Und: Ja - ich kenne die Wikipedia.)

War da nicht noch etwas? Mastodon! Ist das vielleicht die Lösung? Mastodon ist ein föderiertes Pendant zu Twitter (und Teil eines viel größeren föderalen Kosmos, dem Fediverse, das Alternativen zu Instagram, Facebook und anderen Social Media-Diensten bereithält): Viele Knoten ohne ein Zentrum. User sind bei einem Knoten registriert, können aber die Tweets (die hier Toots heißen) des ganzen Netzes sehen und Usern aller Knoten folgen (wie bei einem Mailserver). Mastodon löst das Problem der zentralen Kontrolle. Niemand hat sie in der Hand. Sie ist über viele Knoten verteilt. Und auch die Kosten sind verteilt. Niemand muss das Ganze finanzieren, die Last verteilt sich auf viele Schultern. Aber die Gefahr der Filterblasen ist damit nicht gebannt. Vielleicht im Gegenteil. Dezentral moderierte Knoten laden dazu ein, in ihrer größeren Diversität Netze im Netz zu spinnen. Werde ich wechseln? Nein. Öffentlichkeiten leben durch ihre Menschen, nicht durch Feature. Solange viele bei Twitter sind, dort schreiben, lesen, streiten, ist die Öffentlichkeit dort, solange werde ich dort bleiben. Aber ausprobieren? Ausprobieren möchte ich die neue Welt schon. (Auch wenn bei dem Namen Aussterben Programm ist.)" - Jens

Was sagt ihr dazu?

Schickt uns gerne eure Meinungen an info@neuland-bfi.de. Wir freuen uns auf eure Mail!